Houzzbesuch: Cortenstahl bringt ein Alpenhaus bei Sonthofen zum Glühen
Entwurf dank Eiszeitsee: Als der Boden wankte, wurde aus dem Um- ein Neubau – heute fühlt sich eine Großfamilie auf 300 Quadratmetern wohl
Manche Dinge lassen sich einfach nicht voraussehen. So zum Beispiel die Möglichkeit, dass sich auf dem Baugrundstück ein unterirdischer Eiszeitsee befinden könnte. Als Architekt Carlos Zwick diesen Widrigkeiten zum Trotz sein Ferienhaus 2012 fertiggebaut hatte, war es in der Gegend längst bekannt. Der damaligen Bürgermeister verlieh ihm sogar ein besonderes Prädikat: Er nannte es „die größte Katastrophe, die je in Sonthofen gebaut wurde“. Gut Ding will manchmal Weile haben. Mit der Zeit haben sich die Leute aus der Umgebung an das Alpenhaus mit einem Fassadenkleid aus Cortenstahl gewöhnt, das formal dem Typus der umliegenden Städel (Scheunen) entlehnt ist. Und Zwick, der in der Gegend aufwuchs, bringt mit dem ungewöhnlichen Material und der modernen Interpretation der Hütte ein Stück Großstadt in seine Heimat zurück.
„Als ich mich im Urlaub befand, rief mich der Bauleiter der ausführenden Firma an und sagte: Wir haben ein massives Problem. Der Bagger schwankt auf dem Baugrund“, sagt Zwick.
Wie sich bei der darauf folgenden Untersuchung herausstellte, liegt ein 15 Meter langer Eiszeitsee unter dem Grundstück. „Sie müssen sich die Konsistenz dieses Sees wie die von flüssiger Zementschlemme vorstellen“, sagt Zwick. Nach dem Baustopp folgte die Umplanung. Heute ist alles neu: Der Keller, die Gründung auf 24 duktilen Gusspfählen, und das gesamte Haus in Holztafelbauweise. Der Keller ist mit heimischem Kalkstein aus dem acht Kilometer entfernten Grünten-Steinbruch verkleidet, das darüber auskragende Erdgeschoss mit Cortenstahlplatten.
Wie sich bei der darauf folgenden Untersuchung herausstellte, liegt ein 15 Meter langer Eiszeitsee unter dem Grundstück. „Sie müssen sich die Konsistenz dieses Sees wie die von flüssiger Zementschlemme vorstellen“, sagt Zwick. Nach dem Baustopp folgte die Umplanung. Heute ist alles neu: Der Keller, die Gründung auf 24 duktilen Gusspfählen, und das gesamte Haus in Holztafelbauweise. Der Keller ist mit heimischem Kalkstein aus dem acht Kilometer entfernten Grünten-Steinbruch verkleidet, das darüber auskragende Erdgeschoss mit Cortenstahlplatten.
„Wir haben hier ein Niedrigenergiehaus, das über eine Luftwärmepumpe beheizt wird. Sie entzieht der Umgebungsluft die Wärme. Das funktioniert bei bis zu minus 28 Grad“, sagt Zwick.
Im Bild ist der Steg zu sehen, der rechts zum Sommereingang des Hauses führt. Im Winter, wenn Schnee liegt, gibt es im Untergeschoss einen weiteren Eingang. Im Nebengebäude links befinden sich eine Sauna und eine Garage.
Im Bild ist der Steg zu sehen, der rechts zum Sommereingang des Hauses führt. Im Winter, wenn Schnee liegt, gibt es im Untergeschoss einen weiteren Eingang. Im Nebengebäude links befinden sich eine Sauna und eine Garage.
Schmale Fensterbänder auf der Nordseite sorgen dafür, dass im Hause „Hinang“ der Energieverbrauch niedrig ist. Lärchenholzplanken weisen den Weg nach drinnen.
Im Haus hat Carlos Zwick Eichendielen verlegen und ölen lassen. Hier ist der Wohnbereich zu sehen, der rechts in den Küchen- und Essbereich übergeht. Alle Fenster des Hauses haben Rahmen aus Lärchenholz.
Sofas und Sideboard: Ikea
Sofas und Sideboard: Ikea
Wohnen und Essen sind durch einen doppelseitigen Panorama-Kamin von Hark getrennt – und gleichzeitig verbunden. Die Küche kommt von Ikea und ist mit acht Metern die längste von Hinang, wie Zwick augenzwinkernd erzählt.
Feurige Raumtrenner: 10 Kamine mit Flammenpanorama
Feurige Raumtrenner: 10 Kamine mit Flammenpanorama
Auf der Südseite gibt es Panoramafenster mit einem atemberaubenden Blick über das Tal und die umliegenden Berge, die den Ort von drei Seiten umgeben. Eine weitläufige Veranda lädt zum Sonnenbaden ein.
Stühle: Eames Lounge Chairs, Vitra
Drei Kinderzimmer liegen im Erdgeschoss nebeneinander. Sie haben alle den gleichen Grundriss und eine Schlafgalerie.
Stuhl: Barcelona Chair, Knoll
Vom langen Flur gehen vier der sieben Zimmer ab. Er mündet schließlich in das Bad, in dem, wie überall im Haus, geölte Eichendielen liegen. Auch die Wanne ist mit Eiche verkleidet.
Hinter der Wand an der Wannenseite befinden sich rechter Hand eine Toilette und ein Bidet, linker Hand liegt die Dusche. Hinter der Trennwand mit Waschbecken und Spiegel befindet sich das Elternschlafzimmer.
Wanne: Bauhaus; Waschbecken und Armaturen: Reuter
Wanne: Bauhaus; Waschbecken und Armaturen: Reuter
Der Weg zum Haus ist teilweise asphaltiert, teilweise reiner Feldweg. Es steht 300 Meter vom Ortskern des 92-Seelendorfes Hinang entfernt. Mindestens fünfmal im Jahr, und wenn eine Baustelle in der Nähe ist, auch alle zwei Wochen, sind Zwick und seine Familie hier.
Von Bergen und Kleewiesen umgeben, kommt die Familie hier zur Ruhe. „Wandern, Skifahren, Spazierengehen“, sagt Zwick auf die Frage, was sie denn hier machen, wenn der Tag lang ist. Einen Hund gibt es im übrigen auch, und der will natürlich ausgeführt werden. Läuft er mal zu weit weg, lockt ihn der Ruf seines Namens zurück: „Schröder!“ Merkel war auch im Gespräch, war aber für einen Rüden unpassend.
Im Erdgeschoss grenzen drei Kinderzimmer aneinander. Daneben befindet sich, mit offenem Zugang zum Bad, das elterliche Schlafzimmer. Damit es bei so vielen Personen nicht zum Stau vor der Toilettentür kommt, gibt es ein zweites Badezimmer wie auch eine Gästetoilette.
Im kleineren Untergeschoss liegen zwei weitere Zimmer, ein großes Bad und eine Küche. Auch eine Garage befindet sich hier.
Nachts wird es himmlisch ruhig zwischen den Bergen. Dann kann man am Kamin von der Wanderung oder vom Skilaufen ausruhen. Der Bürgermeister mit seinem harten Urteil ist mittlerweile nicht mehr im Amt, und für die Familie von Carlos Zwick ist das Haus ohnehin alles andere als eine Katastrophe – es ist, im Gegenteil, das größte Glück, das Wahl-Großstädtern mit ländlichen Wurzeln widerfahren kann.
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Hier urlauben: Architekt Carlos Zwick, seine Lebensgefährtin Claudia Kensy und ihre gemeinsamen sechs Kinder
Auf: 296 Quadratmetern
In: Hinang bei Sonthofen im Allgäu, auf 840 Metern Höhe
Fotos: Tomek Kwiatosz
Cortenstahl ist ein vielverwendetes Material im Architekturbüro von Carlos Zwick. Als er 2011 beschloss, für seine Familie und sich ein Ferienhaus einzurichten, war aber zunächst weder von Stahl noch von Neubau die Rede. „Wir hatten von einer Freundin erfahren, dass in Hinang ein Haus aus den Vierzigerjahren zum Verkauf stand. Ursprünglich wollten wir dieses Haus einfach ein bisschen umbauen und einen Teil des Kellers umnutzen, aber dann passierte das Unvorhersehbare“, erzählt Zwick.